
MINI.STADT
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Städtli Aussensicht: Bernhard Braunecker
Bernhard Braunecker leitete bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2006 die Forschungs- und Entwicklungsabteilung für Optik und Mathematik bei Leica Geosystems in Heerbrugg. Seitdem ist er als Berater und Entwickler für industrielle Anwendungen von Hochleistungslasern und optischer Messtechnik tätig. Seit 2016 ist er auch im Kernteam des Lichtensteiger Jost-Bürgi-Symposiums. Er lebt in Rebstein (SG).
Als Kernphysiker und Spezialist der optischen Informationsverarbeitung: Wie beobachten Sie die Standort-Entwicklung in Lichtensteig aus technisch-wissenschaftlicher Perspektive?
Lichtensteig könnte in diesem Feld punkten, etwa bei der Modernisierung, Digitalisierung und dem Ausbau vorhandener lokaler und regionaler Wirtschaftskompetenzen. Denken Sie zum Beispiel an den Einsatz von Drohnen und Robotern in der Landwirtschaft, da könnte Lichtensteig mit der Fachhochschule OST zusammenspannen. Oder im Bereich der Wald- und Holzindustrie wäre es spannend, wenn der Standort Lichtensteig gemeinsam mit der Empa die Entwicklung neuer Textil- und Baumaterialien vorantreiben würde. Aber man könnte auch etwas Neues versuchen.
Was wäre das?
Lichtensteig könnte für Start-ups sehr interessant sein. Das sind junge, höchst motivierte Teams, meist gerade direkt von einer Hochschule kommend. Die versuchen, ihre Forschungsergebnisse in erste Produkte umzusetzen, so wie Bill Gates damals in seiner Garage. Die Schweiz hat dank ihres exzellenten Bildungswesens eine faszinierende Start-up-Kultur von hochmotivierten Macher*innen, ganz im Stile eines Jost Bürgis. Die meist jüngeren Spezialisten suchen in erster Linie familiengerechte, umweltfreundliche und bezahlbare Standorte, was für Lichtensteig spräche. Und von Lichtensteig sind grössere Städte wie Wil und St. Gallen schnell erreichbar, mit ihren kulturellen und Einkaufsangeboten.
Und wie sähe es für andere Neuzuzüger aus?
Freunde von mir aus Deutschland, die regelmässig zum Jost-Bürgi-Symposium kommen, schätzen Lichtensteigs gepflegtes, mittelalterliches Ambiente, das anspruchsvolle Kulturprogramm und nicht zuletzt die freundlich-familiäre Atmosphäre. In der Hinsicht ist das Städtli für viele Menschen attraktiv.
Was könnte die Gemeinde noch tun, um sich besser zu positionieren?
Das Kulturprogramm habe ich erwähnt, aber all diese Events sollten besser vermarktet werden. Zum Beispiel würde sich die Sichtbarkeit des Bürgi-Symposiums in Prospekten des Bodenseetourismus anbieten – das Arenenberg-Museum oder die Kartause Ittingen etwa locken so geschickt Touristen aus Deutschland an. Ganz generell sollte die Gemeinde die Medienarbeit stark ausbauen und weitere Synergien anstreben.
Haben Sie konkrete Vorschläge für solche Zusammenarbeiten?
Man könnte Lichtensteig auch als Wiege der UBS vermarkten, das wäre ähnlich wie beim Bürgi-Symposium ein «Unique Selling Point». Eventuell würde da sogar die HSG mitziehen, da man in der modernen Hochschullehre gerne einen Bezug zur Geschichte herstellt. Eine andere Idee wäre es, das Bürgi-Symposium mit einer Barockmusik-Serenade zu verbinden. Das würde es zusätzlich kulturell aufwerten und es für ein breiteres Publikum interessant machen.
Was denken Sie würde Jost Bürgi über das heutige Lichtensteig sagen? Würde er hier bleiben, oder wie damals in die Ferne ziehen?
Er zog ja in die Ferne, um seine revolutionären Ideen zu verwirklichen, was damals nur in unmittelbarer Nähe zu einem Regenten gelingen konnte. Wenn er das heutige Chancenpotential sehen könnte, würde er vermutlich in Lichtensteig bleiben und die wichtigen Kontakte virtuell wahrnehmen. Er ist ja «der kluge Mann aus dem Toggenburg», der sein autodidaktisch erworbenes Wissen damals einsetzte, um höchst präzise Instrumente und smarte Rechenmethoden zu entwickeln. Ihm ging es darum, die Sternbeobachtung problemlos und verlässlich in der Alltagspraxis nutzbar zu machen, zum Beispiel zur Orientierung und Navigation auf See. Ein moderner Bürgi würde genauso seine Hard- und Softwarekenntnisse bündeln, um ebenfalls Epochales mit Praxisrelevanz zu erzeugen, heute vermutlich im Bereich der Life Sciences.
Link: https://www.jostbuergi.com