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Armin Meier: Raumplaner mit Strategie

13. Juni 2024
Armin Meier berät die Gemeinde Lichtensteig in der Revision der Ortsplanung mit seinem Raumplanungsbüro. Er berichtet über seine berufliche Einbindung als Raumplaner und über seine Kindheitserfahrungen, die ihn mit dem Toggenburg verbinden.

Armin Meier, sie beraten Lichtensteig bei der Revision der Ortsplanung. Können Sie uns etwas über sich erzählen? Haben Sie neben der geschäftlichen auch eine persönliche Beziehung zu Lichtensteig?

Ich bin 56 Jahre alt und wohne mit meiner Frau Claudia in Gossau. Wir haben zwei erwachsene Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Ich habe in Rapperswil Siedlungsplanung studiert und verfüge über einen Nachdiplomabschluss als Wirtschaftsingenieur. Seit etwa 25 Jahren bin ich selbständig und habe in dieser Zeit wohl über 30 Gemeinden bei ihren Ortsplanungen begleitet; bis vor drei Jahren als Teilhaber und nun über mein neues Raumplanungsbüro. Meine Arbeitsschwerpunkte sind die Orts- und Quartierplanung wie in Lichtensteig, die Organisation von Architekturwettbewerben oder die Entwicklung von Betriebs- und Gestaltungskonzepte für Innerortsstrassen, wie etwa für Wattwil wo wir auch das Konzept des Bushofes entwickelt haben.

Ich habe seit meiner Kindheit eine persönliche Beziehung zu dieser Region, wenn auch nicht speziell zu Lichtensteig. Meine Eltern sind im Untertoggenburg aufgewachsen und so waren wir oft zu Besuch oder in den Sommerferien bei den Grosseltern. Aus dieser Zeit habe ich viele Erinnerungen; etwa, wenn sich jeweils die ganze Verwandtschaft mit Kind und Kegel zum Heuen auf dem Hof in Bütschwil einfand, wo auch jedes Kind seine Aufgabe hatte. Einen Traktor gab es damals noch nicht und der Ladewagen wurde von «Rolf», einem gutmütigen Wallach gezogen. Mit der Übergabe des Hofes an meinen Onkel zogen die Grosseltern ins nahe Stöckli und kümmerten sich fortan im Sommer um die jungen Rinder auf der Alp in Libingen. Sie führten ein einfaches Leben. Am Morgen assen wir alle, inklusive Knecht, mit einem Suppenlöffel Habermus (Brei aus Haferschrot) mit Milch aus einer grossen Schale in der Tischmitte. Die Grossmutter kochte es jeden Morgen auf dem Holzherd in einer grossen, rauchgeschwärzten Pfanne. 

Mein Grossvater mit seinen schwieligen Händen hat mir gezeigt, wie man Holz spaltet und Büscheli mit alten Schnüren von Strohballen bindet, oder wo man auf den Alpwiesen frischen Kümmel findet. An Feiertagen gab es manchmal Ausflüge auf die Meiersalp, die bis Ende des 19. Jahrhunderts auch unserer Familie gehörte - daher ihr Name.

Jetzt, wo ich darüber spreche, erinnere ich mich an viele schöne Erlebnisse im Toggenburg. Ja, ich bin nicht nur Bürger von Mosnang, sondern habe auch eine persönliche Beziehung zu dieser Region.

Sie sagten, dass sie seit drei Jahren ein eigenes Büro führen. Was hat es damit auf sich? 

Ich arbeitete seit meinem Studium im gleichen Raumplanungsbüro; am Anfang als Sachbearbeiter, später als Teilhaber und in den letzten Jahren auch als Präsident des Verwaltungsrates. Vor vier Jahren hat sich mein Leben auf den Kopf gestellt. Ich begann mich intensiv mit dem, was war, und dem, was noch kommen soll, auseinanderzusetzen. Da habe ich gemerkt, dass meine und die Vorstellungen meiner damaligen Geschäftspartner zu weit auseinanderliegen. Anfang 2021 habe ich beschlossen, das Unternehmen, dem ich mein bisheriges Berufsleben widmete, zu verlassen und neu anzufangen.

Meine Begeisterung für die Raumplanung war ungebrochen und die persönlichen, freundschaftlichen Beziehungen zu meinen Kunden waren der Grund, wieso ich ein neues Raumplanungsbüro gründen wollte. Es sollte ein Unternehmen werden, bei dem die fachliche und persönliche Entwicklung jedes Einzelnen im Fokus steht und bei dem das Team aktiv mitbestimmt. 

Einen Monat später hatten es mir 13 Arbeitskollegen gleichgetan und ebenfalls gekündigt, um mit mir etwas Neues entstehen zu lassen. Ausser unserer gemeinsamen Vision gab es zu diesem Zeitpunkt erst einen Fünfjahres-Mietvertrag für Büroräume in einer denkmalgeschützten Stickereifabrik in St.Gallen.

Zusammen haben wir uns einen Namen für die Firma überlegt und alles so vorbereitet, dass wir uns am ersten Arbeitstag nur noch an die neu eingerichteten Arbeitsplätze setzen und die Computer einschalten konnten. Während wir auf den ersten Auftrag warteten, haben wir uns organisiert, Vorlagen erstellt, die Systeme konfiguriert, ehemalige Kunden informiert usw. Und dann kamen sie, die Aufträge - einer nach dem anderen - bis am Ende quasi alle meine ehemaligen Kunden ihre Aufträge an unser Büro übertragen hatten. Lichtensteig war dabei eine der ersten Gemeinden. So ist gemeinsam die raum.manufaktur.ag entstanden. Diese Solidarität und das Vertrauen meiner Arbeitskollegen und Kunden zu erleben, ist etwas vom Schönsten, das mir je passiert ist.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren ehemaligen Geschäftspartnern - Sie sind ja nun Konkurrenten?

Der Anfang war auch emotional sehr schwierig. Letzten Frühsommer, knapp zwei Jahre nach unserer Abspaltung, gaben sie die Geschäftstätigkeit jedoch auf. Das führte noch einmal zu zahlreichen Anfragen von Gemeinden zur Übernahme ihrer Ortsplanungsmandate, darunter auch solchen aus dem Toggenburg. Es war schon etwas schmerzhaft, dass wir damals all diese Anfrage aufgrund mangelnder Ressourcen absagen mussten.

Können Sie uns etwas zu Ihrer Tätigkeit für Lichtensteig erzählen?

Vor knapp 15 Jahren konnte ich Lichtensteig erstmals im Rahmen der Wohnstrategie für die Altstadt raumplanerisch begleiten. Das war auch mein erster Kontakt mit Mathias Müller, der damals Stadtschreiber war. Danach gab es in Lichtensteig regelmässig neue, herausfordernde Aufgaben für uns. Lichtensteig ist fachlich kompetent aufgestellt und wohlwollend kritisch. Mathias Müller ist ein inspirierender Mensch. Aktuell arbeiten wir an der Gesamtrevision der Ortsplanung, die in den nächsten Monaten zur Einsprache aufgelegt wird. Das ist immer ein spannender Moment, bei dem sich zeigt, ob die Strategie auch von den direkt betroffenen Grundeigentümern getragen wird. Aufgrund des intensiven Einbezugs der Lichtensteiger in den Prozess bin ich guter Dinge.

Sie haben über 30 Gemeinden ortsplanerisch betreut: Was macht Lichtensteig besser, was schlechter als andere Gemeinden?

So unterschiedlich wie jede Gemeinde ist, so unterschiedlich sind auch deren Strategien, um gut für die Zukunft gerüstet zu sein. Vor diesem Hintergrund kann man nicht sagen, dass es eine Gemeinde per se besser macht als die andere. Sicher habe auch ich Präferenzen für gewisse Strategien. In Lichtensteig ist aus meiner Sicht bemerkenswert, wie die Menschen hier nichts «anbrennen» lassen und unter persönlichem Engagement alles angehen, was sich zu einer Zukunftschance entwickeln könnte. Das ist in dieser Art sicher einzigartig.

Engagement ist ja gut, aber wird es auch für das Richtige eingesetzt?

Diese Frage wird erst die Zukunft beantworten. Die Welt ist zum Glück nicht so deterministisch, dass bei jeder Handlung gleich die Wirkung vorausgesagt werden könnte. Wenn ich mich für eine Idee einsetze, dann muss ich vor allem beseelt sein von der Richtigkeit meiner Idee. In diesem Moment weiss ich nie, ob sich mein Engagement am Ende auszahlen wird. «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.» sinnierte schon Erich Kästner. So halte auch ich es: Auch wenn man etwas in bester Absicht versucht, kann es am Ende doch misslingen. In einer guten Sache zu scheitern, muss man sich nicht vorwerfen, sondern nur, wenn man es gar nicht erst versucht hat.

So oder so wird sich das persönliche Engagement der Lichtensteiger für ihre kleine Stadt auszahlen. Der Lohn ist die persönliche Befriedigung, die auf andere ausstrahlt und ansteckend wirkt. 

Lieber Herr Meier, ich danke Ihnen für dieses Interview.

Ich danke Ihnen, dass ich meine Gedanken mit Ihnen teilen durfte!

Armin Meier
Armin Meier